Borgfelde - Eine Wohnsiedlung mit industriellem Charme

Borgfelde
HA

 

Bodenständig mit gewerblichem Flair, denn auch viele Handwerksbetriebe und Reparaturwerkstätten sind hier zu Hause.

 

Fläche in Quadratkilometer: 0,8
Einwohner: 7461
Wohngebäude: 380
Wohnungen: 4375
Immobilienpreise Grundstücke in Euro/Quadratmeter: 618
Immobilienpreise Eigentumswohnungen in Euro/Quadratmeter: 3399
(Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Stand 2016)

 

Auf den Karten sei ihr Stadtteil natürlich drauf, sagen die Borgfelder. Bloß in den Köpfen, da sei er nicht so richtig drin. "Borgfelde? Wo ist das noch mal?", fragt mancher Hamburger unsicher. Oder sogar: "Gehört das denn überhaupt noch zum Stadtgebiet?" Das kann eigentlich gar keine Frage sein.

Mit nur knapp 0,9 Quadratkilometer Fläche zählt Borgfelde zwar zu Hamburgs kleinsten Stadtteilen, dafür ist er aber besonders zentral gelegen: Nämlich gerade mal 2000 Meter vom Rathausmarkt entfernt befindet sich dieses uralte Hamburger Quartier zwischen St. Georg und Hamm. Zugegeben, die Architektur ist eher schlicht, geprägt von Zeilenhäusern aus Rotklinker. "Zerstört 1943, wieder aufgebaut 1954." Oder 1956, 1957 oder 1961. So steht es an fast jeder Hauswand in diesem Viertel, das im Feuersturm des Zweiten Weltkriegs niedergebombt wurde.

Nobel - und hilfsbereit

Eine Wohnsiedlung ist Borgfelde heute. Mit teils gewerblichem Charme, denn auch viele Handwerksbetriebe und kleine Reparaturwerkstätten sind hier zu Hause. Doch früher, vom 17. Jahrhundert bis hinein ins 19. Jahrhundert, wurde in Borgfelde nicht nur gewohnt, sondern geradezu residiert. Denn der Stadtteil zählte zu den beliebtesten Gegenden für Sommersitze. Wer es sich leisten konnte, ließ hier ein Landhaus erbauen und einen herrschaftlichen Garten anlegen. Einige dieser parkähnlichen Privatanlagen galten laut zeitgenössischem Almanach als "schönste in ganz Europa".

Als sich Hamburg dann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einer Industriestadt entwickelte und die Innenstadt zur City wurde, mussten dort viele alte Wohnstifte Kontorhäusern weichen. Verdrängung - oder Gentrifizierung, wie es heute heißt - gab es also schon damals. Und die Schlagzeile "Büros statt Sozialwohnungen" hat auch an Aktualität nicht eingebüßt.

Doch für Borgfelde entpuppte sich diese Entwicklung damals als durchaus positiv: Stadtauswärts, auf der linken Seite der Bürgerweide, entstand eine regelrechte Stiftsmeile mit bis heute beeindruckenden Bauwerken, darunter das Alida-Schmidt-Stift. Es wurde 1874/1875 von Ida Schmidt zum Gedächtnis an deren im Alter von 23 Jahren gestorbene Tochter Alida errichtet - als "Wohnhaus für hilfsbedürftige, unbescholtene Witwen und Jungfrauen christlicher Konfession". Noch heute wird hier Frauen in Not geholfen.

Wie das benachbarte Hiobs-Hospital, das zwischen 1883 und 1884 nach Plänen der Architekten Manfred Semper und Carl Friedrich Phillipp Krutisch erbaut wurde und durch den roten Backstein an Schlösser der deutschen Renaissance erinnert, steht auch das Alida-Schmidt-Stift mittlerweile unter Denkmalschutz.

Mangelhafte Infrastruktur

So schick wie der Mittelweg in Harvestehude ist die Klaus-Groth-Straße nicht - obwohl sie früher mal genauso hieß. Diese Straße, die Herzschlagader des kleinen Stadtteils, war einst eine Einkaufsstraße, in der sich das öffentliche Leben abspielte. Das Leben spielt hier immer noch - aber Geschäfte gibt es nur noch wenige.

Ein Wahrzeichen des Viertels ist die Erlöserkirche an der Klaus-Groth-Straße/Jungestraße. Der Blick richtet sich von hier aus auf St. Georg - und die ganze Welt. Jedenfalls, wenn sich deutsche und afrikanische Christen hier treffen, um einen lebendigen Gospel-Gottesdienst zu feiern.

Wie schön die Kirche war - der einst kuppelbekrönte Bau galt als "Ideal" der protestantischen Kirchenarchitektur -, ist leider nur noch auf historischen Fotos zu bewundern. Denn als Borgfelde 1943 in Schutt und Asche fiel, wurde auch die Erlöserkirche zerstört. Der 1952 errichtete Nachfolgebau mutet von außen zwar schlicht an, präsentiert sich dem Besucher jedoch innen heller und großzügiger als erwartet.

Zweitgrößtes Studentenwohnheim der Stadt

Von der Kirche zur Kultur sind es nur wenige Schritte. An der Klaus-Groth-Straße 23 liegt das Sprechwerk, eine große (10,50 mal 12,50 Meter) Off-Theaterbühne. Die Zuschauer kommen aus der ganzen Stadt - aber natürlich auch aus Borgfelde, wo viele junge Leute leben. Zum Beispiel im Gustav-Radbruch-Haus an der Borgfelder Straße, dem zweitgrößten Studentenwohnheim der Stadt. Dort wohne man wie in einem Penthouse, soll mancher Studierender, der ein Zimmer im zwölften Stock bezogen hat, schon geschwärmt haben.

Sportlich nimmt man es in dem Stadtteil auch: Der Hamburger Turnerbund von 1862, kurz HTB 62, hat seinen Sitz in Borgfelde und gilt als "kleinster der Hamburger Großvereine".

Im Kleinen ziemlich groß, so ist eben Borgfelde. Und wer es erst mal auf der Karte gefunden und besucht hat, dem bleibt es dann sicher auch im Kopf.


Borgfelde historisch

Fotos vom alten Borgfelde zeigen einen Stadtteil, der es heute vielleicht mit Eppendorf aufnehmen könnte. Doch das ist Vergangenheit. Borgfelde bildet einen Teil eines großen Gebietes, das Hamburg schon 1256 von den Schauenburger Grafen überlassen worden war. 1633 wurde am Geesthang ein Gesundbrunnen entdeckt, dessen Quellwasser einem verletzten Bauern angeblich spontane Heilung brachte.

Das zunächst noch spärlich besiedelte Borgfelde wurde – genau wie das benachbarte Hamm – während der Franzosenzeit total zerstört und nur schleppend wieder aufgebaut. Ein Haupthindernis für eine rasche Besiedelung war die noch bis 1866 bestehende Torsperre. Da das Berliner Tor abends – häufig aber auch schon gegen 16 Uhr – geschlossen wurde, mussten die Besucher aus der Stadt das ländliche Borgfelde nachmittags oft in großer Eile verlassen, um noch zügig nach Hause zu kommen.

Die Aufzeichnungen des späteren Borgfelder Pastors Buck beschreiben die Gegend in der Nähe der Bürgerweide Mitte des 19. Jahrhunderts als eine ländliche Idylle mit wogenden Kornfeldern und uralten Bäumen. Von Bucks Elternhaus auf Höhe der heutigen Elise-Averdieck-Straße hatte man direkten Blick auf die Türme der Stadt. Dort lag auch die Bürgerweide – die höher gelegenen Ländereien des alten „borchfeldt“, auf denen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Schafe der Hamburger Bürger weideten. Heute ist der Name in Form einer Hauptverkehrsader erhalten. Auf Höhe der heutigen Alfredstraße hatte seit 1822 sogar eine Windmühle gestanden, die aber bereits 1865 wieder abgerissen wurde.

Wohlhabende Bürger in „Oben Borgfelde“

Nach Aufhebung der Torsperre strömten viele Hamburger aus der drangvollen Enge der Stadt. Davon profitierte auch Borgfelde, das 1871 Vorort und 1894 Stadtteil von Hamburg wurde. Als die Stadt beschloss, den Hammer Brook ab 1888 zu bebauen, wurden die Weichen für die Erschließung im großen Stil gestellt. Während die Borgfelder Straße und die angrenzenden Häuser als „Unten Borgfelde“ bezeichnet wurden, hatte sich auf dem Geesthang darüber „Oben Borgfelde“ herausgebildet.

Dort wohnten – ähnlich wie in „Oben Hamm“ – die wohlhabenderen Bürger. Das Gefälle ist heute immer noch deutlich erlebbar, zum Beispiel auf Höhe der Klaus-Groth-Straße, allerdings ist von der großbürgerlichen Bebauung mit etlichen schönen Jugendstilbauten so gut wie nichts übrig geblieben. Im Zuge der Verbreiterung der Borgfelder Straße wurde die hohe Böschung abgefangen und mit einer mehr als 500 Meter langen Basaltmauer verziert. 1908 war die Anlage fertiggestellt – als schönes Beispiel dafür, dass eine Straßenverbreiterung auch eine optische Verbesserung bedeuten kann.

Gleich zehn elegante Treppenaufgänge verbanden die Straße mit „Oben Borgfelde“, die dazwischen liegenden Beete waren reich bepflanzt, es gab einen Brunnen und sogar kleine Grotten. „Das Werk (...) ist ein würdiges Glied in der Kette der Monumentalbauten der Stadt geworden, das den Stadtteil Borgfelde ganz bedeutend gehoben hat“, schrieb der „Hamburgische Correspondent“ im Mai 1908.

Loki Schmidt wuchs hier auf

Im südlichen Borgfelde ging es weit weniger feudal zu. Rund um die Kreuzung Eiffestraße/Ausschläger Weg gab es schon vor dem Zweiten Weltkrieg viele industriell geprägte Betriebe und Gewerbehöfe, allerdings standen dazwischen – anders als heute – auch noch jede Menge Wohnhäuser.

1831 hatte Borgfelde genau 360 Einwohner, 1939 waren es rund 25.000. Zu den Borgfeldern gehört übrigens auch die unvergessene Loki Schmidt, die in der Baustraße (heute: Hinrichsenstraße) aufwuchs und in der Burgstraße die Schule besuchte. Im Zweiten Weltkrieg versank Borgfelde in Schutt und Asche – mehr als 95 Prozent der Wohnhäuser brannten nieder. Auch die erst 1903 eingeweihte Erlöserkirche, die Kapelle der Neuapostolischen Kirche und die Diakonissen- und Krankenheil-Anstalt Bethesda wurden zerstört. Der traditionsreiche Stadtteil war fast völlig verschwunden.

von Redaktion hamburgerimmobilien.de am 20.09.2018

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