Neuenfelde - Das größte Hamburger Dorf im Alten Land

Orgel von St. Pankratius in Neuenfelde
HA

 

Mit knapp 5000 Einwohnern auf 15,5 Quadratkilometern ist Neuenfelde einer der am dünnsten besiedelten Stadtteile Hamburgs.

 

Fläche in Quadratkilometer: 15,5
Einwohner: 4954
Wohngebäude: 1033
Wohnungen: 1938
Immobilienpreise Grundstücke in Euro/Quadratmeter: 204
Immobilienpreise Eigentumswohnungen in Euro/Quadratmeter: keine Daten
(Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Stand 2016)

 

Neuenfelde lebt vom Obst, von der Sietas-Werft und von Airbus. Zwischen der Alten Süderelbe und der Este gelegen, gehört Neuenfelde wie Francop zur sogenannten Dritten Meile des Alten Landes, des größten geschlossenen Obstanbaugebietes in Nordeuropa. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wachsen zwischen dem Neuenfelder Hauptdeich und dem Neuenfelder Hinterdeich Obstbäume in Reih und Glied. Heute gibt es hier etwa 70 Obstbetriebe, von denen die meisten Äpfel anbauen.

Immer noch größter Arbeitgeber im Stadtteil ist die Schiffswerft J. J. Sietas, einer der ältesten Betriebe der Hansestadt. Seit 1635 werden an der Estemündung Schiffe gebaut. In guten Zeiten zählte die Werft mehr als 1200 Mitarbeiter. Im November 2011 hat Sietas mit ihren drei Unternehmen Insolvenz angemeldet. Nach der Übernahme der Werft durch die in St. Petersburg ansässige Pella Shipyard-Gruppe, arbeiten heute in der Pella Sietas GmbH rund 200 Beschäftigte -- ein Teil von ihnen wohnt in der Seehofsiedlung, in der viele Menschen mit Migrationshintergrund leben.

Auch das Airbus-Werk im benachbarten Finkenwerder bietet vielen Menschen in der Dritten Meile Arbeit. Doch zu Airbus ist das Verhältnis vieler Neuenfelder immer noch gespalten. Erst schüttete die Stadt Hamburg 170 Hektar des Mühlenberger Lochs -- eines der größten Süßwasserwatten in Europa -- für die Werkserweiterung zu. Dann wurde die Airbus-Piste ausgebaut; sie reicht jetzt rund 350 Meter an das Dorf heran. Engagierte Neuenfelder haben jahrelang gegen den Bau gekämpft - vergeblich. Nachdem der Bauer Cord Quast sein zentrales Stück Land Ende 2004 für rund zwei Millionen Euro verkauft hatte, konnte Hamburg die Start- und Landebahn um 589 Meter auf 3273 Meter verlängern.

Neue Wohnungen entstehen im Organistenweg und im Rosengarten

35 Starts und Landungen am Tag sind nun erlaubt. Oft fliegen die Flugzeuge bedrohlich tief über den Ort hinweg. Von 2002 bis 2005 hatte die Stadt, um Klagen gegen Fluglärm zu verhindern, insgesamt 67 Häuser rund um die Hasselfelder Straße von den Eigentümern gekauft. Ein Lärmgutachten aus dem Jahr 2010 kam jedoch zu dem Schluss, dass die Häuser „grundsätzlich privat vermietet werden können, ohne gesundheitliche oder ansonsten nicht hinnehmbare Lärmbeeinträchtigungen zu verursachen.“ Bis 2015 standen die Häuser leer, einige mussten abgerissen werden. Inzwischen herrscht wieder Leben im Organistenweg und im Rosengarten. Ein Großteil der Häuser ist bereits saniert und wieder vermietet. Zusätzliche Neubauten sind geplant. Auch der Bau der Autobahn 26, die rund zwei Kilometer südlich des Obstmarschenwegs verlaufen soll, bewegt die Menschen im Stadtteil. Viele Neuenfelder erhoffen sich durch den Bau eine Verkehrsentlastung.

Mit rund 5000 Einwohnern auf 15,5 Quadratkilometern ist Neuenfelde einer der am dünnsten besiedelten Stadtteile Hamburgs, aber vor Cranz und Francop klar das größte "Hamburger Dorf" im Alten Land. Von den Neuenfeldern wird Gemeinsinn immer noch groß geschrieben, ob im Schützenverein, in den beiden Freiwilligen Feuerwehren, im Landfrauenverein oder im Islamischen Kulturverein. Höhepunkte des Jahres sind das Schützenfest und der "Neefeller Markt bi de Kark" mit großem Flohmarkt und Tänzen in alten Trachten am ersten Sonnabend im September.

Das Schmuckstück mitten im Stadtteil ist die evangelisch-lutherische Pfarrkirche St. Pankratius. Sie wurde zwischen 1682 und 1687 auf einer Düne an der Stelle ihrer Vorgängerkirche errichtet, die sächsische Siedler vermutlich im13. Jahrhundert erbaut hatten. Die Kirchdüne bot allen Bewohnern des Dorfes Zuflucht, wenn Sturmfluten das Marschland überschwemmten -- zuletzt bei der Flutkatastrophe am 16./17. Februar 1962. Zehn Neuenfelder starben in dieser Nacht.

Regelmäßig erklingen große Werke auf der Schnittger-Orgel

Die Krönung der Barockkirche ist die Orgel, die der berühmte Orgelbauer Arp Schnitger zwischen 1683 und 1688 schuf. Sie ist Schnitgers größte erhaltene zweimanualige Orgel. Regelmäßig konzertant erklingt das gute Stück bei den "Neuenfelder Orgelmusiken", jeweils am ersten Sonntag der Monate April bis Dezember um 16.30 Uhr.

Viele Nichtneuenfelder schätzen die Hofläden, wo die Obstbauern, je nach Saison, Erdbeeren, Kirschen, Himbeeren, Pflaumen und Äpfel feilbieten. Die meisten Besucher kommen aber im Frühjahr nach Neuenfelde, wenn Hunderttausende Apfelbäume blühen. Ein rosa-weißes Blütenmeer durchzieht dann den Stadtteil, viele Besucher wandern den alten Deich entlang und bewundern die Altländer Bauernhäuser mit ihren weißen Prunkpforten wie bei dem um 1660 erbauten Haus von Otto Palm an der Stellmacherstraße 9. Dessen Inschrift bezeugt die Heimatverbundenheit der Neuenfelder, die sich zuerst als Neuenfelder, dann als Altländer und schließlich als Hamburger fühlen - "Meent buten die Welt ok noch so groff, hool fast an dien Segen, dien Huus un Hoff".

 

Neuenfelde historisch

Das Leben in den beiden Dörfern Hasselwerder und Nincop, deren Spuren sich bis ins 11. beziehungsweise 13. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, muss sehr hart gewesen sein. Seit Mitte des 12. Jahrhunderts waren holländische Siedler damit beschäftigt, hier Deiche zu bauen und das tiefer liegende Binnenland zu kultivieren. Im Laufe der Zeit wuchsen die beiden Dörfer immer enger zusammen, und 1927 wurden sie schließlich zu Neuenfelde zusammengelegt.

Allerdings entstand dieser Name damals nicht neu, sondern er war für die Gegend schon seit dem 15. Jahrhundert genutzt worden. Unter anderem gab es schon vorher das Kirchspiel Neuenfelde und die Schule Neuenfelde. Seit 1937/38 gehört Neuenfelde zu Hamburg.

Die Prunkpforte an der Nincoper Straße

Wie alle anderen Orte im Alten Land hat auch Neuenfelde eine lange Obstbautradition. Nach einem Obsthofverzeichnis aus dem Jahre 1657 soll es in Hasselwerder damals schon 50 kleinere Höfe gegeben haben, was allerdings schwer vorstellbar ist. Einst waren die Höfe von Wassergräben umgeben und nur über kleine Brücken zugänglich, die durch sogenannte Prunkpforten abgeschlossen wurden.

Die wohl bekannteste ist die Pforte an der Nincoper Straße 45. Sie stammt von 1683 und gehört zum Hof der Familie Quast. 1968 war sie von einem Lieferwagen umgefahren worden und musste neu aufgebaut werden. Der Musikhistoriker und Neuenfelde-Chronist Gustav Fock hat ermittelt, wie man die symbolischen Schnitzarbeiten der Pforte verstehen kann. Die dort abgebildeten Raubtiere sind keine Wachhunde, sondern sie symbolisieren die Flut, die die in Form von Weintrauben dargestellte Ernte bedroht.

Das zwischen Alter Süderelbe und Este gelegene Neuenfelde war immer wieder massiven Überschwemmungen ausgesetzt. „In einer unvergessenen Winternacht des Jahres 1825 war hier zuletzt der Deich gebrochen. 55 Menschen kamen dabei ums Leben. Sie hatten den Weg zur höher gelegenen Kirche nicht mehr gefunden, die jahrhundertelang die Fluchtburg in Wassersnot gewesen war“, heißt es dazu in einer Chronik. Diese auf einer Düne liegende Kirche, St. Pankratius, war im Dezember 1682 fertiggestellt worden und ist heute noch unverändert schön.

Der berühmte Orgelbauer Arp Schnitger, der seit 1684 in Neuenfelde lebte, hatte zunächst nur die Aufgabe, die Orgel der alten Kirche in das neue Gebäude einzufügen, erhielt – zum Glück – dann aber 1683 doch den Auftrag für den Bau einer ganz neuen Orgel. Schnitger wurde am 28. Juli 1719 auch in St. Pankratius beigesetzt. Wenig bekannt ist, dass sich an der Orgelrestaurierung im Jahr 1926 neben dem Lübecker Orgelbauer Karl Kempe auch der Hamburger Orgelsachverständige und Schriftsteller Hans Henny Jahnn beteiligte.

Der Neuenfelder Hafen verlor seine Funktion

Von der schweren Sturmflut im Jahr 1962 war Neuenfelde erheblich betroffen, und in den örtlichen Chroniken finden sich dazu hoch dramatische Schilderungen. Als Folge massiver Flutschutzmaßnahmen wurde der alte Neuenfelder Hafen von der Elbe abgetrennt, wodurch er seine Funktion verlor. Auch sonst sind die vergangenen Jahrzehnte hier nicht eben idyllisch verlaufen. Die 1635 gegründete Sietas-Werft, die als Deutschlands älteste Werft gilt, musste 2011 Insolvenz anmelden. Nachdem Neuenfeldes Erhaltung durch die im Hafenerweiterungsgesetz von 1961 festgeschriebene Planung gefährdet war, wurde es über das Hafenentwicklungsgesetz 1982 aus diesen Plänen wieder ausgeklammert und 1985 zum Milieuschutzgebiet erklärt. Als Erweiterungsfläche für die Airbus-Landebahn machte Neuenfelde 2001 dann bundesweit Schlagzeilen.

von Redaktion hamburgerimmobilien.de am 19.09.2018

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