Tatenberg - Ländliche Idylle mit knapp 500 Einwohnern

Tatenberger Schleuse
picture-alliance/c.ohde/chromorange

 

Ohne Wasser läuft nichts in Tatenberg. Wenn sich hier Weltmeister in die Riemen legen, wird die "Schweinebucht" zur großen Bühne.

 

Fläche in Quadratkilometer: 3,1
Einwohner: 555
Wohngebäude: 166
Wohnungen: 225
Immobilienpreise Grundstücke in Euro/Quadratmeter: 223
Immobilienpreise Eigentumswohnungen in Euro/Quadratmeter: keine Daten
(Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Stand 2016/2017)

 

Wasser ist alles. Und ohne Wasser läuft nichts in Tatenberg. Wie Perlen auf der Schnur säumen eine schmucke Schleuse, der Sportboothafen Möller, Bootsclub-Biber, Kanuten, ein Yachtklub, das Ausflugslokal Tatenberger Fährhaus und der Wasserpark mit der weltberühmten Ruder-Regattastrecke die Dove Elbe am Tatenberger Deich.


Im Hamburger Yacht-Club (HYC) startet die Saison im März. Dann geht es los, anschippern. Dann fahren viele der 308 Mitglieder zum City-Hafen am Baumwall und feiern. Mehr als 100 Schiffe und ein renoviertes Vereinshaus gehören zum Klub, der schon 50 Jahre alt ist.


555 Menschen leben in Tatenberg in ländlich geprägter Idylle -- und doch mitten in der Stadt. Man kennt sich. Leben und leben lassen, heißt die Devise. Tatenberg gehört zum Bezirk Bergedorf und wurde 1315 erstmals unter dem Namen "Tadekenberghe" erwähnt. Tade ist eine Ableitung von Tiet und bedeutet Volk. Bis 1630 war Tatenberg getrennt von Ochsenwerder eingedeicht, ein Nebenarm der Bille trennte die Orte. Im Norden grenzt Tatenberg an Moorfleet, im Süden an Spadenland.


Ankern vor den Liebesinseln


Im Yachtklub gibt es Tipps für eine Tour, die Elbe hinauf nach Bergedorf. Vorbei an bildschönen Ecken, lauschigen Winkeln und den Nestern der Haubentaucher. Ein lupenreiner Naturtrip. An warmen Sommertagen reicht ein Abstecher in die "Schweinebucht" oder „Rentnerbucht”, wie die Tatenberger ihre Bucht liebevoll nennen.

Skipper gehen hier gern vor den "Liebesinseln" vor Anker, während am Ufer der Dove Elbe Familien in der Sonne dösen und die Kinder baden. Wildromantisch, Sommer in Tatenberg.


In der "Schweinebucht" beginnt auch die Regattastrecke. Am 20. Dezember 1966 titelte das Hamburger Abendblatt: "Neue Regattastrecke für Hamburg -- Großplan ,Sport-Alster'". Innerhalb von zehn Jahren sollte im Südosten Hamburgs eine "repräsentative, moderne Regattastrecke mit einem Freizeit- und Erholungszentrum" entstehen.


Die Deiche wurden erhöht -- Konsequenz aus der Großen Flut vom 17. Februar 1962, die Tatenberg kalt erwischte. Der Übergang vom ländlich bäuerlichen Stadtteil zum naturnahen Erholungsgebiet dauerte bis in die 80er-Jahre. Ergebnis ist der heute so beliebte Wasserpark.


Vier Mann an der Schleuse


Bei Wettbewerben verwandelt sich die Bucht in ein grandioses Amphitheater: Die Dove Elbe wird zur Bühne, auf der die schnittigen Boote, angefeuert vom Publikum, flugs in Fahrt kommen, um 2000 Meter südöstlich möglichst als Erste ins Ziel zu kommen. Der Ruderer Peter-Michael Kolbe trainierte hier seit seiner Jugend, bis er im Einer fünfmal Weltmeister wurde. Die älteren Tatenberger erinnern sich noch, sie sind stolz auf "ihren Jung".


An der Tatenberger Schleuse haben vier Männer alles fest im Griff. Sie kontrollieren den Wasserstand auf der Dove Elbe und damit in den gesamten Vier- und Marschlanden. Bei schönem Wetter schleusen sie bis zu 200 Boote täglich. Von der Kommandobrücke oberhalb des Wasserskiklubs geht der Blick übers Wasser, Wiesen und Deiche. Industrie? Fehlanzeige. Wie ein Solitär steht die Schleuse in der Landschaft.


Deutschlands größter Kleingartenpark


Kenner steuern Tatenbergs Hotspots direkt an. Was niemand vermutet: Auf den ehemals bäuerlichen Ländereien versteckt sich zwischen Hofschläger Weg und Tatenberger Bucht auf zehn Hektar Fläche Deutschlands größter zusammenhängender Kleingartenpark mit 1204 Wochenendhäusern. Hier treffen sich Erholungsuchende aus allen Teilen Hamburgs.


Mitten durch die Kultur-Oase führt auf der Trasse der ehemaligen Marschlandbahn der Elberadwanderweg. Im Sommer wird es schon mal eng. Einen Abstecher zu den Hofläden Deichblume und Stender -- mit den besten Torten am Deich -- sollte man sich nicht entgehen lassen.


Zur Einkehr geht's ins Fährhaus Tatenberg. Eine Fähre gibt es schon lange nicht mehr, und das alte Fährhaus wurde nach einem Brand 1978 durch einen Neubau ersetzt. Das ändert nichts an dessen reizvoller Lage mit zwei großen Terrassen und exzellentem Blick übers Land und den Yachtklub.


Feierabendbier bei Onkel Dieter


Tatenberg wirkt beschaulich. Viele junge Leute müssten sich woanders Arbeit suchen. Es gibt weder Ampel noch Zebrastreifen, weder Arzt noch Friseur, keine Apotheke, keine Schule, kein Kino, keine Polizei, nicht mal eine Post. Stattdessen eine kleine Hundeschule und sogar eine Katzenpension. Nicht zu vergessen De Lütt Backstuv -- eine winzige Dorfbäckerei, die direkt aus der Backstube verkauft. Morgens decken sich hier viele auf dem Weg zur Arbeit ein.


Am Feierabend trifft man sich zum Einkehrschwung in Onkel Dieters Imbiss. Die schmucklose Hütte am Ortseingang ist nicht zu verfehlen. Bei Bier, Köm und Currywurst werden Döntjes vertellt, und man erfährt einiges über Tatenberg und seine Menschen. Und dabei dreht sich natürlich vieles -- wenn auch nicht alles -- ums Wasser.


Tatenberg historisch

Noch so eine kleine, scheinbar wertlose Insel, die Hamburg im Jahr 1395 aus strategischen Gründen quasi als Paket zusammen mit Ochsenwerder und Spadenland kaufte – und die sich zum erfolgreichen, schönen Stadtteil mauserte.


Bis 1630 war Tatenberg getrennt von Ochsenwerder eingedeicht, weil ein Nebenarm der Bille die beiden Orte voneinander trennte. Seit 1693 bildete es mit seinen beiden Nachbarn einen geschlossenen Deichverband – und ließ sich nun besser für einfache Bebauung und für die Landwirtschaft nutzen. Tatenberg hat eine kurze Tradition als Villenkolonie wohlhabender Hamburger, die hier, zwischen Norder- und Dove Elbe, die Sommermonate verbrachten.


Simone Vollstädt beschreibt in ihrer informativen Chronik über das Kirchspiel Ochsenwerder unter anderem die Geschichte des Bieber-Hofs am Tatenberger Deich, der schon 1636 nachgewiesen werden kann (als „Lütje Hof“). Bei seinem Verkauf – der letzte Besitzer war 1933 gestorben – hatte der Hof mit Herrenhaus und Park immer noch eine Größe von rund 100 Hektar.


Eine andere Landmarke ist noch erhalten – wenn auch mit stark verändertem Äußeren: Im April 1901 erwarb der Tischler Johann Nikolaus von Deyen die Gastwirtschaft Todes Fährhaus, aus der er das beliebte Fährhaus Tatenberg machte.


Acht Pfund frische Butter für den Landherren


Über viele Jahrzehnte gab es mit der anderen Elbseite nur eine Fährverbindung, nämlich die vom Ochsenwerder Außendeichland an der Dove Elbe zum Eichbaum in Allermöhe. Daneben existierte lediglich die Handfähre zwischen Tatenberg und Moorfleet, die beim Tatenberger Fährhaus ihre Anlegestelle hatte und nur Personen und kleine Wagen transportieren konnte.


Bei Sturm und Hochwasser durfte sie nicht genutzt werden, und nach Quellenberichten soll Tatenberg dann fast völlig von Hamburg abgeschnitten gewesen sein. Die Betreiber der gebührenpflichtigen Handfähre mussten dem Landherrn übrigens jährlich acht Pfund frische Butter liefern.


Jahrelang forderten die Tatenberger von Hamburg den Bau einer Fahrbrücke über die Dove Elbe. Schließlich wurde 1882 eine hölzerne Ständerbrücke errichtet, die das Gewässer und das sumpfige Deichvorland auf rund einem Kilometer überspannte. In der Mitte der Brücke gab es ein 30 Meter langes sogenanntes Brückenfeld, das geöffnet wurde, wenn ein hohes Schiff die Dove Elbe passierte. Der Brückenwärter kassierte Wegezoll: acht Pfennige für Fußgänger, eine Mark für einen Einspänner, zwei Mark für einen Zweispänner.


1919 wurde mit dem Bau der Marschbahn begonnen, um den Gemüsetransport nach Hamburg zu erleichtern. Erst 1926 war die Strecke von Geesthacht bis nach Tatenberg verlängert worden – zwei Jahre bevor das gesamte Streckennetz fertiggestellt wurde. Das Bahnhofsgebäude am Tatenberger Deich ist heute noch erhalten, der ehemalige Bahndamm wird als Rad- und Wanderweg genutzt.


Die überfällige Verbindung mit Hamburg


Die Marschlande hatten stärker mit den Wassermassen zu kämpfen als die Vierlande. Durch den hohen Grundwasserspiegel waren Hunderte Hektar Boden häufig überschwemmt, versumpft und für die Landwirtschaft kaum nutzbar. Auch in Tatenberg wurden über Jahrhunderte Entwässerungsmühlen eingesetzt – 1880 waren hier noch fünf vorhanden –, um der Natur Land abzutrotzen (siehe Reitbrook).


Endgültige Abhilfe schuf aber erst ein ausgeklügeltes Schleusensystem, zu dem auch die Tatenberger Schleuse gehört. Die Planung für dieses Bauwerk reicht weit zurück, die Fertigstellungkonnte aber erst 1951 gefeiert werden. Die Straßenbrücke über Schleuse und Wehr sorgte dann endlich für die lange überfällige Verbindung zwischen Hamburg und den Vier- und Marschlanden.


1938 wurde die selbstständige Gemeinde zusammen mit Ochsenwerder und Spadenland nach Bergedorf eingemeindet, Moorwerder kam zu Harburg-Wilhelmsburg. Traurige Bekanntheiterlangte Tatenberg durch das Theaterstück des Regisseurs Armand Gatti, „Die zweite Existenz des Lagers Tatenberg“. Gatti verarbeitet darin seine Erfahrungen während der NS-Zeit als Zwangsarbeiter auf der Veddel und verbindet diese mit einer fiktiven Geschichte, die in den 1950er-Jahren in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen spielt.

von Redaktion hamburgerimmobilien.de am 18.09.2018

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