Curslack - Früher ein reiches Dorf, heute grüner Stadtteil

Storchenprojekt Curslack
HA

 

In Hamburgs Blumengarten gedeihen nicht nur Tulpen und Rosen, sondern auch mehr Kinder als anderswo.

 

Fläche in Quadratkilometer: 10,6
Einwohner: 3937
Wohngebäude: 943
Wohnungen: 1453
Immobilienpreise Grundstücke in Euro/Quadratmeter: 247
Immobilienpreise Eigentumswohnungen in Euro/Quadratmeter: keine Daten
(Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Stand 2016/2017)

 

Die Vergangenheit beginnt wenige Autominuten hinter der Brücke über die Autobahn 25, nur ein paar Hundert Meter links ab von der Kreuzung, an der der ehemalige Gasthof Zur Schiefen Brücke steht. Umgeben von einem bunten Bauerngarten duckt sich hier hinterm Curslacker Deich das 1553 errichtete Rieck-Haus, Herzstück des Vierländer Freilichtmuseums und eines der ältesten erhaltenen Hufnerhäuser in den Vier- und Marschlanden.


Für den Besucher ist der historische Hof eine Schatzkiste voller Alltagsgegenstände, die aus dem Leben der Vierländer Bauern in den vergangenen vier Jahrhunderten erzählen. Für viele Menschen hier in Curslack aber ist es mehr: ein Aushängeschild ihrer Heimat, ein Teil ihrer Tradition und Geschichte, für die es sich zu kämpfen lohnt.


Fachwerk-Idyll am Deich


Ganz besonders ist das Rieck-Haus in Curslack aus dem Jahr 1533, denn es ist eines der ältesten erhaltenen Fachhallenhäuser in Norddeutschland. In dem Freilichtmuseum werden 500 Jahre Vier- und Marschländer Kultur erlebbar. Mehr als 25.000 Besucher im Jahr erfahren auf den Museumsführungen nebenbei auch, woher Redensarten wie "einen Zacken zulegen" oder "ins Fettnäpfchen treten" stammen. Das stets im Juni gefeierte Erdbeerfest gehört zu den Hauptattraktionen der Region.


Wer das Rieck-Haus verlässt und nach einem Abstecher zur heute als Wohnhaus genutzen Rossmühle den schmalen Deich in Richtung Osten spaziert, entdeckt Postkartenmotive: Backsteingebäude wechseln sich ab mit prächtigen Fachwerkhäusern unter Reet, zur rechten Hand lässt sich kurz die träge fließende Dove Elbe blicken, immer wieder blitzt die Sonne im Glas der Treibhäuser.


Nach halbstündigem Fußmarsch fällt das Auge auf die Kreuzkirche St. Johannis und ihren frei stehenden Glockenturm -- auch sie ein Kleinod, das Vierländer Geschichte wach werden lässt. Reich verzierte Hutständer an den Bänken verraten die Berufe ihrer einstigen Besitzer, die Sitzplätze im blau gestrichenen Gestühl tragen die Namensschilder alteingesessener Familien -- zum Teil in der für die Vierlande typischen Intarsienarbeit. Selbst Besucher aus den USA haben sich hier schon ins Gästebuch eingetragen.


Traditionelle Landwirtschaft prägt Curslack seit Langem nicht mehr. 23 Bauernhöfe habe es hier Anfang der 60er-Jahre noch gegeben. Unübersehbar ist Curslack der Blumengarten Hamburgs, eine Tradition, die ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Zahlreiche Betriebe ziehen hier vor allem Schnittblumen -- Rosen insbesondere, aber auch andere Arten wie Tulpen, Gerbera oder Chrysanthemen. Teure Energie und starke Auslandskonkurrenz setzen die Betriebe zwar unter Druck, doch immer noch kommt jede zweite Blume auf Hamburgs Großmarkt aus den Vier- und Marschlanden.


Hamburgs größtes Wasserwerk


Weiter nördlich am Curslacker Heerweg versteckt sich hinter Bäumen das Wasserwerk, das 2004 die bereits 1928 errichtete Aufbereitungsanlage ersetzt hat. Mehr als 350.000 Menschen werden von hier aus mit Frischwasser versorgt. Es stammt aus 16 Tief- und 220 Flachbrunnen, die sich über sieben Kilometer in Richtung Altengamme hinziehen. Mit 21,3 Millionen Kubikmeter Jahresleistung ist die Anlage das größte Wasserwerk der Stadt.


Wasser ist für Curslack von jeher Segen und Fluch zugleich. Zum einen haben erst die Ablagerungen aus dem eiszeitlichen Urstromtal der Elbe den fruchtbaren Kleiboden entstehen lassen. "He harr Klei anne Feut", hieß es früher über reiche Marschbauern. Zum anderen ist das Wasser und dessen Regulierung eine nicht enden wollende Herausforderung.


Immer wieder werden Teile Curslacks überflutet, weil die Entwässerungsgräben überfordert sind. Starkregen und der steigende Grundwasserspiegel sind die Auslöser. Mancher Zugezogene, der zu tief gebaut habe, dürfe sich über einen nassen Keller nicht wundern, denn der Stadtteil liegt zum Teil 80 Zentimeter unter Normalnull.


Grün, aber mitten in der Stadt


Auch wenn Brauchtum großgeschrieben wird -- Curslack ist ein vergleichsweise junger Stadtteil und ein dynamischer dazu. Jeder fünfte Einwohner ist noch keine 18, nur in wenigen anderen Stadtteilen ist der Anteil von Familien mit Kindern so hoch. Außerdem wächst Curslack seit einigen Jahren, der Stadtteil hat eine der höchsten Zuwachsraten in Hamburg.


Und das ist leicht zu erklären: Man wohnt grün - und doch ist die "Stadt", wie man Bergedorf nennt, nur einen Katzensprung entfernt und die City für Autofahrer in gut 20 Minuten zu erreichen. Grundschule und Kindergärten sind vor Ort, dasselbe gilt für Supermarkt, Sparkasse oder Arzt, dazu kommt mit dem SV Curslack-Neuengamme ein agiler Sportverein mit guter Jugendarbeit.


Wer will da behaupten, Tradition und Fortschritt könnten sich nicht wunderbar ergänzen? "Im alten Sinne ließ ich's ausgestalten, mög' auch der alte Frieden stets drin walten", heißt es an einem restaurierten Wohnhaus am Curslacker Deich. Treffender kann man es kaum ausdrücken.


Curslack historisch

Die Tatenberger Schleuse hat es gebracht: Seit ihrer Fertigstellung war Curslack weit weniger die feuchte Sumpflandschaft (Cuwerslake), von der sich dieser ungewöhnliche Name wohl ableitet. Die Bemühungen, die Gegend dauerhaft trockenzulegen, gehen weit zurück. Curslack wurde zusammen mit Altengamme im 12. Jahrhundert eingedeicht. Über einen Schleusengraben entstand die Verbindung nach Bergedorf, eine weitere – über die Bille – nach Hamburg.


Wie bei allen Vierländer Dörfern waren Gemüse- und (später) Blumenanbau über Jahrhunderte Curslacks Haupteinnahmequelle, wobei es von seiner verkehrsgünstigen Lage besonders profitieren konnte. Da der Boden zudem für den Getreideanbau gut geeignet war, galt Curslack neben Neuengamme lange auch als reichstes Dorf der Vierlande, was man an den großzügig gebauten alten Höfen immer noch sehen kann. Die beiderstädtische Herrschaft über Curslack endete 1868, als Hamburg von Lübeck dessen Besitzrechte aufkaufte (siehe Bergedorf). Über das Groß-Hamburg-Gesetz wurde Curslack, genau wie die anderen Gemeinden der Vierlande und Bergedorf, Stadtteil Hamburgs.


Das Rieck-Haus wurde schon vor 60 Jahren gerettet


Aus der Fülle der zum Teil sehr malerischen, historisch bedeutsamen Curslacker Sehenswürdigkeiten fällt es heute schwer, ein paar Landmarken herauszustellen. Das Museum Rieck-Haus spricht natürlich für sich. Wenig bekannt ist, dass es schon 1940 vom Einsturz bedroht war, dann aber vom Denkmalschutzamt bewahrt wurde, sodass es 1949 aufwendig renoviert werdenkonnte. Im Kern wurde das Haus um 1532 errichtet, Aus- und Umbauten erfolgten in drei weiteren Phasen, nämlich 1545, 1565 und 1663.


Auch bei der Planung des Bahnhofsgebäudes für die neue Vierländer Eisenbahn hatte man sich besondere Mühe gegeben. Von den 29 vorliegenden Entwürfen für den Bahnhof Curslack-Neuengamme wurde schließlich der Entwurf des Architekten Karl Pewe mit einem ersten Preis bedacht, denn er zeigte „eine wohlgelungene Anwendung der Vierländer Bauweise“, so das Preisgericht. 1912 war der Bahnhof fertiggestellt – ansehnlich wie ein altes Bauernhaus.


Das Ende der Zwergschulen


Curslack rühmt sich auch, dass hier die erste Zentralschule der Vier- und Marschlande eröffnet wurde – und das kam so: Seit den 1880er-Jahren hatten alle Vier- und Marschländer Gemeindenneue Schulen erhalten. Dabei gab es nur zwei Grundformen: ein zweigeschossiges Haus mit Lehrerwohnung oben und Klassenzimmern im Erdgeschoss und den T-förmigen Bau, bei dem die Lehrerwohnung im Kopfteil lag und die Klassenzimmer sich im Längsteil anschlossen. Alle in der Gegend noch erhaltenen Schulen haben eine dieser beiden Formen. So nett diese Häuser auch aussahen – den Anforderungen moderner Schulpolitik waren sie natürlich nicht gewachsen.


1963 weihte man den ersten Bauabschnitt der neuen Vierländer Zentralschule Curslack-Neuengamme ein, die neben dem alten Bahnhof zwischen Curslacker Hausdeich und Dove Elbe errichtet wurde. Dahinter stand die langfristige Planung, die 20 Zwergschulen der Vier- und Marschlande effizienter zusammenzuführen. Wie nötig das war, verdeutlicht Chronist Harald Richert: Zuletzt waren die Kinder in Curslack und Neuengamme in Schichten unterrichtetworden, und für den Turnunterricht hatte man einen Saal in einem örtlichen Lokal anmieten müssen.


Die Kirche St. Johannis ist nicht nur wegen ihrer Schönheit bemerkenswert. Erstaunlich auch, dass die Kirche in Neuengamme, die nur wenige Hundert Meter entfernt liegt, denselben Namen trägt. Und auch das wissen vermutlich nur wenige: Der barocke Altaraufsatz in St. Johannis (Curslack) wurde aus geretteten Fragmenten des Altars der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Dreifaltigkeitskirche zusammengesetzt.

von Redaktion hamburgerimmobilien.de am 18.09.2018

Anzeige
Anzeige
Anzeige

Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.