Groß Flottbek - Gehoben, aber nicht abgehoben

Bugenhagenkirche Gross Flottbek
HA

 

Die Bauern sind lange weg, das Dörflich-Gediegene ist geblieben. Man sollte aber nicht den Fehler machen, den Elbvorort für langweilig zu halten.

 

Fläche in Quadratkilometer: 2,4
Einwohner: 10.955
Wohngebäude: 2436
Wohnungen: 5247
Immobilienpreise Grundstücke in Euro/Quadratmeter: 1122
Ein- und Zweifamilienhäuser: 5367
Eigentumswohnungen: 4464
(Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Stand 2016)

 

Beinahe jeder Fünfte in Groß Flottbek ist unter 18, sagt die Statistik; immer mehr junge Familien ziehen hierher. Es gibt acht Kitas sowie zwei Grundschulen, und zu renommierten Gymnasien wie dem Christianeum in Othmarschen ist es nicht weit. So gesehen ist Groß Flottbek ein sehr junger Stadtteil, bloß dass die Jugend hier bestimmten Werten unterliegt.

Die Kinder des Elbvororts spielen in den weitläufigen Gärten hinter den Häusern. Oder sie sind beim Training im Sportverein. Oder bei der musikalischen Früherziehung im Johannes-Brahms-Konservatorium. Oder bei der freiwilligen Feuerwehr. Jedenfalls nicht auf der Straße. Ein Jugendklub mit abgewetzten Sofas, Tischtennisplatten und Rap-Musik wirkte in dieser Umgebung merkwürdig. Es gibt auch keinen.

Vornehme Zurückhaltung

Wer durch die von alten Eichen gesäumten Straßen rund um die Groß Flottbeker Kirche fährt, sieht elegante Altbauten, vor denen dunkle Limousinen parken, gepflegte Vorgärten und blitzblanke Gehwege - in einem Wort: Beschaulichkeit. Man sollte aber nicht den Fehler machen, den Elbvorort deshalb für langweilig zu halten. Obwohl Groß Flottbek mit weniger als 11.000 Einwohnern zu den kleineren Stadtteilen in Hamburg gehört, ist hier einiges los - nur sieht man das nicht sofort. Es gibt einen hohen Bekanntheitsgrad untereinander und ein nachbarschaftliches Miteinander, das man nicht auf den ersten Blick erkennt.

Wer hier lebt, stört sich nicht daran, dass es kein Kino gibt, das die neuesten Blockbuster zeigt, keine Disco und wenige Kneipen. Es gibt schließlich viele andere Treffpunkte: die üppigen Gärten. Den Groß Flottbeker Tennis-, Hockey- und Golfclub, der allerdings in Othmarschen liegt. Die Groß Flottbeker Spielervereinigung, die 2012 ihr 100-jähriges Bestehen feierte. Die beiden Kirchengemeinden. Den 1948 gegründeten Bürgerverein, dessen Mitglieder etwa zum Wandern und Skatspielen zusammenkommen.

Geliebte Tradition

Und die "Waitze", wie die Anwohner ihr 360 Meter langes Einkaufssträßchen nennen. Hier gibt es noch inhabergeführte Läden. Institutionen wie die Fleischerei Hübenbecker oder die Buchhandlung Harder sind der Gegenentwurf zum Elbe-Einkaufszentrum. Ein beliebter Treffpunkt ist auch der Flottbeker Markt mittwochs und sonnabends an der Osdorfer Landstraße.

Angesichts dieses auf 2,4 Quadratkilometer komprimierten Geflechts ist mancher geneigt, von einem Dorf zu sprechen, in Anlehnung an die von Äckern und Weiden umgebene Gemeinde, die Groß Flottbek bis Ende des 19. Jahrhunderts war. An diese Zeit erinnern acht zum Teil mit Reet gedeckte ehemalige Bauernhäuser und Katen, etwa das 200 Jahre alte Gebäude an der Baron-Voght-Straße 179, das heute Landhaus Flottbek heißt und ein Vier-Sterne-Hotel mit Restaurant beherbergt.

Seine ländliche Anmutung hat Groß Flottbek behalten, das Bäuerliche ist verschwunden. Bis 1939 zählten noch einige nördlich gelegene Straßen zu dem Stadtteil, in denen Arbeiter und Handwerker lebten. Im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes wurde dieser Teil Bahrenfeld zugeschlagen. So kam es, dass Groß Flottbek zu einem überwiegend wohlhabenden, großbürgerlichen Viertel wurde.

Viele derer, die hier leben, legen Wert auf humanistische Bildung und gehobene Kultur. Etliche Familien wohnen seit mehreren Generationen in Groß Flottbek. Die Kinder der Alteingesessenen ziehen zwar zum Studium oft weg, doch dem Vernehmen nach kehren einige von ihnen zurück, sobald sie selber Kinder bekommen - bietet der Stadtteil doch Geborgenheit.

Anlaufstelle für Weiterbildung

Das aparte Ambiente im Grünen hat seinen Preis. Ihr Vermögen tragen allerdings nur die wenigsten Groß Flottbeker protzig zur Schau. Groß Flottbek ist gehoben, aber nicht abgehoben. Und auch nicht abgeschottet. Für die Offenheit des Stadtteils steht insbesondere die Volkshochschule, die in einer Villa an der Waitzstraße untergebracht ist.

Das 1886 erbaute und später um ein zweites Haus erweiterte Gebäude beherbergte zunächst eine Mädchenschule, die von 1916 an zeitweise Berta-Lyzeum hieß. Aus ihr hervor ging das Gymnasium Hochrad für Mädchen und Jungen in Othmarschen. Von 1966 an lehrte in dem Gebäude an der Waitzstraße eine internationale Schule; erst ab 1976 zog die VHS ein.

 

Groß-Flottbek historisch

Verblüffend: Schon in einem Kaufvertrag von 1305 ist von „Superioris et Inferioris Vlotbeke“ die Rede. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, daraus Groß und Klein Flottbek zu machen, zwei Dörfer, die sich im Lauf der Jahrhunderte zu äußerst begehrten Wohngegenden entwickelten und schon lange vor 1900 als gute Adressen galten. Nach den stürmischen Jahren des Nordischen Krieges und der Franzosenzeit war den beiden Flottbeks eine friedliche Zeit beschieden – weit entfernt von den aufstrebenden Städten Hamburg und Altona.

Prägend für die Gegend wurde das „Mustergut Flottbek“, das der Kaufmann Caspar Voght von 1785 an aus mehreren zusammengekauften Höfen anlegen ließ. Die Flächen des in vier Parks unterteilten Guts schlossen unter anderem den Jenischpark mit ein und erstreckten sich ungefähr zwischen der heutigen Karl-Jacob-Straße, dem Christianeum und dem Neuen Botanischen Garten.

Nicht nur durch Voght wurde der Name Flottbek landesweit bekannt. Bernhard von Bülow, ein Nachfahre der Familien Jenisch und Rücker, hatte in der Elbparkvilla, genau gegenüber der Kreuzung Parkstraße/Elbchaussee, seinen Hauptwohnsitz. Und als Bülow 1900 Reichskanzler wurde, tauchte „Klein Flottbeck“ plötzlich in unzähligen Zeitungsartikeln auf.

Eine Villa neben der anderen – und ein neuer Bahnhof

1867 wurde Groß Flottbek mit seinen knapp 500 Einwohnern Teil der preußischen Provinz Schleswig-Holstein. Im selben Jahr nahm die Bahn von Altona nach Blankenese ihren Betrieb auf, und zunächst zuckelte sie noch eingleisig durch Wiesen und Felder. Der Kaufmann Ferdinand Ancker gründete 1883 zusammen mit einigen Geschäftspartnern ein „Terrain-Consortium“, das die „Villen-Anlage Neu-Othmarschen“ auf den Weg brachte.

Der Name ist etwas irreführend, denn das nördlich der Bahnlinie liegende Groß Flottbek war in die Pläne mit einbezogen. Dort stand bald eine Villa neben der anderen – zum Beispiel an der Ulmenstraße (heute Waitzstraße), der Fritz-Reuter-Straße (Onckenstraße) oder der Schillerstraße (Papenkamp). Auch eine neue Bahntrasse musste her – zweigleisig und in die Höhe verlegt.

Das schlichte Holzhäuschen der „Bedarfshaltestelle“ Othmarschen reichte da bald nicht mehr aus, und man entschied sich, die Haltestelle weiter nach Osten zu verlegen und neu zu bauen. 1897 wurde der neue Bahnhof an der frisch angelegten Reventlowstraße eröffnet, der zunächst den Namen Groß Flottbek-Othmarschen trug. Das Empfangsgebäude am Statthalter Platz ist inzwischen abgerissen worden, dort befindet sich heute ein Imbiss.

Schon Ende Januar 1908 folgte die Umstellung auf elektrischen Antrieb, und seit 1899 fuhr zusätzlich die elektrische Straßenbahn von Altona nach Blankenese. Die schnelle Entwicklung lässt sich auch an der Einwohnerstatistik ablesen, die in der spannenden Chronik des Bürgervereins Flottbek-Othmarschen abgedruckt ist. 1895 hatte Groß Flottbek 1059 Einwohner, 1910 schon 4832 und 1920 bereits 5600.

Das Ende von Klein Flottbek

Während man in den schicken Straßen beim Bahnhof bald sogar schon Automobile sah, blieb der nördliche Teil rund um den Dorfteich an der Kreuzung Groß Flottbeker Straße/Röbbek so lange ländlich geprägt, dass die Gegend heute dort stellenweise immer noch wie ein kleines Dorf wirkt.

Das gilt zum Beispiel für das Schäferhaus neben der 1912 eingeweihten Flottbeker Kirche, das schon 1800 zu Caspar Voghts Gut gehörte. Auch beim Blick auf die Schule Röbbek fühlt man sich in die alte Zeit versetzt. 1927 hatte Groß Flottbek 6000 Einwohner und Klein Flottbek 2230. Im selben Jahr wurden beide nach Altona eingemeindet.

Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz kam 1937 dann das Aus für Klein Flottbek, das zwischen Nienstedten, Othmarschen, Groß Flottbek und Osdorf aufgeteilt wurde. Der Name des Bahnhofs blieb allerdings erhalten. Überhaupt ist Klein Flottbek in der Gegend als Ortsbezeichnung erstaunlich lebendig – zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Derby Park.

von Redaktion hamburgerimmobilien.de am 17.09.2018

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