Uhlenhorst - Von einem Vorort zum Stadtteil

Papenhuder Straße
Klaus Bodig

 

Wo "mitten in der Stadt" geografisch ins Schwarze trifft und sich gekrönte Häupter zur Ruhe legen.

 

Fläche in Quadratkilometer: 2,2
Einwohner: 17.599
Wohngebäude: 1202
Wohnungen: 10.615
Immobilienpreise Grundstücke in Euro/Quadratmeter: 2943
Immobilienpreise Eigentumswohnungen in Euro/Quadratmeter: 6246
(Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Stand 2016/2017)

 

Uhlenhorst, das ist Leben am Wasser mitten in der Stadt. Die Alster ist meist nur ein paar Gehminuten entfernt, dazu gibt es Kanäle, die den Stadtteil durchziehen, unzählige Brücken und lauschige Plätzchen, an denen Weiden ihre tief hängenden Zweige baden. Enten schnattern, Gänse eilen über Spazierwege, und Hunde machen sich einen Spaß daraus, den tollpatschigen Wasserbewohnern hinterherzujagen.

Es ist kein Zufall, dass die Uhlenhorster beim Spaziergang durch ihre Heimat ganz besonders oft auf ein Ufer treffen: Ihr Zuhause war einst eine häufig überschwemmte Flussniederung, eine praktisch unbewohnte Ödnis, in der Frösche quakten und Vögel brüteten. Sie wurde erst nach dem Großen Brand von 1842 mit der Anlage mehrerer Gräben entwässert und als Baugrund hergerichtet.

An der Schönen Aussicht entstanden die ersten Gebäude, meist Landhäuser begüterter Hamburger. Mit dem Ruderboot gelangten die Anwohner damals vom Uhlenhorster Fährhaus aus über die Alster in die Stadt. Die Bezeichnung "auf der Uhlenhorst" hat sich bis heute erhalten, auch wenn die einstige inselähnliche Lage der Vergangenheit angehört.

Vom Vorort zum Stadtteil

Vorbei sind allmählich auch die Zeiten, als sich die feinen Damen aus Harvestehude die Haare rauften, wenn sich ihre Töchter auf die gegenüberliegende Uhlenhorst verheirateten. So wie es an der Elbchaussee eine "Butterseite" mit den Grundstücken gibt, die dem Fluss zugewandt sind, galt das westliche Alsterufer schon immer als das Filetstück der Stadtteile an der Alster. Die Uhlenhorst dagegen hatte lange Vorort-, ja sogar Dorfcharakter. Erst im Jahre 1894 wurde das Gebiet offiziell zu einem Stadtteil von Hamburg.

Auch heute noch bietet die Uhlenhorst mit etlichen Bauten aus den 60er- und 70er-Jahren im Vergleich zu den Villengegenden westlich der Alster das Bild einer eher uneinheitlichen Architektur. Straßenzüge, die mit weißen Jugendstilhäusern -- aufgereiht wie Perlen an einer Schnur -- glänzen können, sind hier die große Ausnahme. Im östlichen Teil der Uhlenhorst, Richtung Barmbek, dominieren die für Hamburg so typischen roten Backsteinhäuser.

Der beste Aussichtspunkt der Stadt

Herrschaftliche Villen prägen allerdings noch immer das Bild an der Schönen Aussicht, der Straße, die in der Nähe des Literaturhauses abzweigt und an der Alster in Richtung Norden führt. Alle ihre Anwohner blicken auf den Alsterwanderweg, der hier praktisch ohne störenden Straßenlärm und Innenstadtverkehr das Ufer säumt. Hier schlendern bekannte Schauspieler entlang und lernen ihre Texte, eilen iranische Familien zu der hellblau gekachelten Moschee oder laden Mitglieder der Segel- und Ruderklubs ihre Boote für die nächste Regatta ab.

An warmen Sommertagen breiten sich Grillgelage und Picknickgesellschaften auf den Wiesen aus. Von frühmorgens bis nachts ist der Weg außerdem fest in der Hand der Jogger, die mit meist hochrotem Kopf die gut sieben Kilometer auf der wohl beliebtesten Laufstrecke der Stadt entlangjapsen.

Hier rollen die Busse mit Hamburg-Touristen immer etwas langsamer, denn der Blick über die Alster auf die gegenüberliegende City, auf ihre Kirchtürme, die Alsterfontäne und das Rathaus ist großartig. Bei Tag, aber auch bei Nacht, wenn die Stadt nur noch als schimmernde Lichterkette über dem Wasserspiegel zu sehen ist, bauen Fotografen hier ihre Stative auf. Und die Gäste der Open-Air-Bar Alsterperle schauen mindestens genauso häufig auf die Skyline wie in ihr Weinglas.

Etwa 300 Meter vom wohl schönsten Aussichtspunkt der Hansestadt entfernt zieht sich eine der wichtigsten Uhlenhorster Einkaufsstraßen durch den Stadtteil, die Papenhuder Straße. Wobei Einkaufen hier relativ gemeint ist. Die in anderen Kiezen übliche Mischung aus Drogerien, Modelädchen oder Gemüsehökern sucht man hier vergeblich.

Nützliche Dinge des täglichen Bedarfs sind die Ausnahme, dafür gibt es allerlei Skurriles. Neben einem Geschäft für japanische Kimonos und mehreren Kürschnern lockt der "Papenhut" diejenigen, die auf der Suche nach einer Kopfbedeckung sind. Gerda Hüsch verkauft in ihrem Weihnachtsladen das ganze Jahr über Tannenbaumschmuck. Nebenan gibt es Geschenke für Männer wie Blechspielzeug oder Bausätze von Kreuzfahrtschiffen. Liebhaber des norddeutschen Humors holen sich ein paar Meter weiter im Büro von Otto Waalkes ein Autogramm oder erwerben einen Ottifanten.

Staatsbesuche am Feenteich

Auch wenn einige bekannte Unternehmerpersönlichkeiten oder Autoren wie Bastian Sick auf der Uhlenhorst wohnen -- die weitaus meisten Schlagzeilen sind den prominenten Kurzzeitbesuchern des Stadtteils gewidmet: Im Gästehaus des Senats am Feenteich haben schon Königin Elizabeth II., Thronfolger Charles mit seiner damaligen Frau Prinzessin Diana, US-Außenminister Henry A. Kissinger und PLO-Chef Jassir Arafat, Bundespräsident Heinrich Lübke und der Dalai Lama residiert. Eine Eskorte an der Alster sowie ein Boot der Wasserschutzpolizei, das unter der Feenteichbrücke hindurchgleitet, sind sichere Zeichen dafür, dass wieder einmal ein Staatsbesuch im Gästehaus ansteht.

Mehr als Worte im Literaturhaus

Die eher kulturelle Prominenz beehrt die Uhlenhorst, wenn Lesungen im Literaturhaus anstehen. Siegfried Lenz, Paul Auster oder Mario Vargas Llosa haben bereits in dem wunderschön restaurierten Stadthaus am Schwanenwik vorgelesen. Das Café mit seinen Stuckdecken, Kronleuchtern und dem Blick in den verwunschenen Garten ist auch ein ästhetisches Juwel: Hier wird bei einem leckeren Frühstück mit Haselnussbrot die bürgerliche Wohnkultur aus dem 19. Jahrhundert wieder lebendig.

Im Süden der Uhlenhorst bildet der 88 Meter hohe Turm der Kirche St. Gertrud einen der höchsten Punkte des ansonsten eher niedrig bebauten Stadtteils. Die Kirche wurde im Jahr 1885 eingeweiht und ist bis heute nicht nur ein schöner Blickfang. Sie bildet auch einen interessanten Orientierungspunkt innerhalb der Hansestadt: Neben der Kirche soll sich Hamburgs geografischer Mittelpunkt befinden, in direkter Nähe zum Kuhmühlenteich, der zahlreiche weitere idyllische Plätze am Wasser bietet.

Übrigens hat Wasser von der Uhlenhorst in der Vergangenheit sogar schon Leben gerettet. Als während der Hamburger Cholera-Epidemie Ende des 19. Jahrhunderts das Leitungswasser verseucht war, ließ der Hausbesitzer D. G. Croissant Uhde am Hofweg 51 einen Brunnen bohren. Von dort versorgte er die Umgebung mit frischem Wasser. Der Brunnen wurde später mit einer kleinen Gedenktafel versehen und existiert noch heute. Allerdings treffen die Uhlenhorster hier ausnahmsweise nicht mehr auf das feuchte Element, der Brunnen ist schon lange versiegt.

 

Uhlenhorst historisch

Für die Stadtväter war es letztlich dann doch ein schlechtes Geschäft: 1837 verkauften sie einem Konsortium, bestehend aus den Unternehmern August Abendroth, Carl Heine und Adolph Jencquel, das ehemalige Kämmereigut Uhlenhorst samt umliegendem Gelände für 70.000 Mark Courant. Das Land schien nicht viel wert zu sein: Über sein zerfasertes, unbefestigtes Ufer schwappte die Alster bis auf Höhe der heutigen Papenhuder Straße, von Wegen oder gar Straßen konnte man nur träumen, und eine Erschließung schien unmöglich.

Nach dem Großen Brand von 1842 änderte sich alles schlagartig. Das System der Alster-Regulierung wurde komplett erneuert und der Wasserspiegel um rund einen Meter abgesenkt. Plötzlich war hier vieles möglich, und die Erschließung der Uhlenhorst ging sofort los. Gräben wurden entwässert, Kanäle gegraben, Böschungen und Straßen angelegt.

1852 wurde der Verbindungsweg zur Vorstadt St. Georg angelegt, und man konnte ein Stück an der Alster entlanggehen. Das Bauland ließ sich nun teuer und für die Investoren gewinnbringend verkaufen. Die ersten Neu-Uhlenhorster lebten noch in einer heute kaum mehr vorstellbaren Wildnis. Kolportiert wurde später, dass man vor Ort kaum schlafen konnte, weil die Vögel so einen Radau machten.

Die Uhlenhorster Bedingungen

Die Erschließung ging zügig weiter. 1871 war die Mundsburger Brücke fertiggestellt, die von 1869 an als „Große Brücke“ (Arbeitstitel) gebaut worden war. Schon 1867 hatte man das Kanalbett ausgebaggert, in dessen unmittelbarer Umgebung damals noch kein einziges Haus stand. 1914 fungierte die Brücke dann bereits als Drehscheibe für immerhin sechs Straßenbahnlinien. Die 18, 19 und 25 fuhren, vom Rathausmarkt kommend, durch die Papenhuder Straße, die 6, 7 und 8 über den
Mundsburger Damm. 1876 war auch die Schwanenwik-Brücke fertiggestellt. Die von Investor August Abendroth entwickelten Uhlenhorster Bedingungen untersagten den Bau von Gewerbebetrieben westlich des Hofwegs.

Je weiter man sich von der Alster entfernte, desto wuseliger und enger bebaut wurde die Gegend. Die östliche Grenze verlief bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf Höhe der Bachstraße, und hier – östlich des Winterhuder Wegs – war die Uhlenhorst gar nicht vornehm, sondern ein richtiges Arbeiterquartier. Diese frühe Zweiteilung zog immer wieder den Spott der angeblich noch vornehmeren Harvestehuder auf sich. „Das andere Alsterufer war einfach keine Gegend“, schrieb Bankier Alwin Münchmeyer, und eine Harvestehuder Society-Lady befand: „Na ja, Uhlenhorst (…). Das war ja nur so’n schmaler Streifen und dahinter war gleich Barmbeck.“

Schon 1857 hatte der Kaufmann und Uhlenhorst-Pionier Gustav Adolph Droege einen ersten Versuch unternommen, eine Dampfschifflinie auf der Alster zu initiieren – erfolglos. Die Konzession ging schließlich an Johann Peter Parrau, der auf der Reiherstieg-Schiffswerft drei kleine Dampfboote bauen ließ und den regelmäßigen Passagierbetrieb aufs Wasser brachte. 1885 wurde die St.-Gertrud-Kirche am Kuhmühlenteich fertiggestellt, 1928 folgte die Heilandskirche am Winterhuder Weg.

Ruderregatta und Lawn-Tennis

Die Uhlenhorster gaben sich schon immer gern sportlich. 1844 wurde Deutschlands erste Ruderregatta vor dem Uhlenhorster Fährhaus ausgetragen. „(…) auch die Behörden unserer Vaterstadt hatten die Veranstaltung auf jede Weise gefördert“, stand später in einer Jubiläumsschrift.


1903 kam der Eisbahn- und Lawn-Tennis-Verein auf der Uhlenhorst hinzu, der 1935 in Klipper Tennis und Hockey Club umbenannt wurde.

1871 wurde die Uhlenhorst Hamburger Vorort, 1894 Stadtteil. 1895 hatte die Uhlenhorst genau 28.327 Einwohner, und im ersten Band seiner Topografie von Hamburg aus demselben Jahr schreibt Wilhelm Melhop von einem „ziemlich fertigen Stadtteil“. Im Jahr 1923 lebten bereits 42.944 Menschen hier. Auch weil der Stadtteil im Krieg nicht so stark zerstört wurde wie andere Gegenden, hat die Beliebtheit der Uhlenhorst als Wohnstadtteil nie nachgelassen.

von Redaktion hamburgerimmobilien.de am 20.09.2018

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