Barmbek-Nord - Ein ehemaliges Arbeiterquartier mausert sich

Techniker-Krankenkasse TK Bramfelder Str. 140
Klaus Bodig/HA

 

Der Stadtteil macht sich hübsch - und gehört in Sachen Wohnungsbaupolitik für den Hamburger Senat mittlerweile zu den wichtigsten Regionen.

 

Fläche in Quadratkilometer: 3,9
Einwohner: 41.475
Wohngebäude: 2684
Wohnungen: 26.661
Immobilienpreise Grundstücke in Euro/Quadratmeter: 733
Immobilienpreise Eigentumswohnungen in Euro/Quadratmeter: 3588
(Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Stand 2016/2017)

 

Rotklinkerbauten, soweit das Auge reicht. Hier, in Barmbek-Nord fanden Tausende Arbeiterfamilien, die nach dem Ausbau des Freihafens und der Speicherstadt Ende des 19. Jahrhunderts umgesiedelt werden mussten, eine Bleibe. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden unter anderen von Fritz Schumacher, einem der in der damaligen Zeit erfolgreichsten Architekten des Landes, zahlreiche Rotklinkerbauten mit vielen kleinen Wohnungen errichtet, die für die Mieter auch bezahlbar waren. So wurde aus dem ehemaligen Dorf Bernebeke ein Arbeiterstadtteil.


Doch das ist längst Geschichte. Barmbek-Nord macht sich hübsch -- und gehört in Sachen Wohnungsbaupolitik für den Hamburger Senat zu den wichtigsten Regionen. Da ist zum Beispiel das Quartier 21: knapp 600 Wohnungen entstanden auf dem Gelände des ehemaligen Allgemeinen Krankenhauses Barmbek. Die heutige Asklepios-Klinik Barmbek ist in die Nähe an den Rübenkamp 220 umgezogen ist.


Günstige Mieten


Immer mehr Studenten und junge gut verdienende Menschen wohnen inzwischen in dem Viertel -- oft auch, weil die Mieten auf der Uhlenhorst, in Eppendorf, Eimsbüttel, in St. Georg oder Winterhude in jüngster Vergangenheit stark gestiegen sind. Zwar klettern auch in Barmbek-Nord mit dem Bau hochwertiger Wohnungen die Preise, aber sie sind noch immer vergleichsweise niedrig.


Neben dem Quartier 21 entstehen weitere 1400 Wohnungen im geplanten Pergolenviertel, rund 670 werden an der Dieselstraße gebaut. Hinzu kommen zahlreiche Projekte von Wohnungsbaugenossenschaften wie der Saga, die kleine, leer stehende Apartments zusammenlegen und energetisch sanieren, damit sie den modernen Ansprüchen der künftigen Bewohner genügen.


Barmbek-Nord verbindet Historisches mit Neuem, ist authentisch und lebendig


Das Quartier bleibt bodenständig und will nicht zum Präsentierteller für die urbane Latte-macchiato-Fraktion werden. Es kommen immer mehr Familien mit Kindern in das Viertel. Wohl auch wegen des schulischen Umfelds. Tatsächlich bildet die Stadtteilschule mit ihren drei Standorten an der Fraenkelstraße, am Tieloh sowie in dem ehemaligen Emil-Krause-Gymnasium an der Krausestraße ein Bildungsdreieck, in dem vom Haupt- über den Realschulabschluss bis zum Abitur für die Schüler alles machbar ist.


Kultur von unten


Vor allem kulturell kann sich der Stadtteil sehen lassen. So werden im Barmbeker Bürgerhaus an der Lorichsstraße Theaterstücke aufgeführt oder Kurse etwa für Englisch oder Spanisch angeboten. In den Räumen der alten Zinnschmelze, Maurienstraße 19, Teil der ehemaligen New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, lädt das Kulturzentrum Zinnschmelze mit Café ebenfalls zu Theater, Musik, Partys, Literatur, Ausstellungen, Kleinkunst und Kinderprogramm.


Das Museum der Arbeit am Wiesendamm präsentiert die historische sowie die heutige Wirtschaft. Das Gebäude der 1910 errichteten Margarinefabrik Voss an der Bramfelder Straße, das heute zur Techniker Krankenkasse gehört, ist ein Blickfang. Es steht unter Denkmalschutz und ist Zeugnis der industriellen Vergangenheit. Der Bezirk honoriert das Engagement der Stadtteilbewohner: Bürgerhaus und Zinnschmelze sollen beide einen Anbau erhalten.


Die Zahl derjenigen, die sich für ihren Stadtteil engagieren, ist groß. So haben Anwohner 1984 einen Verein gegründet, um den vom Abriss bedrohten S-Bahnhof Rübenkamp zu retten. Die Bahn wollte das Gebäude verkaufen. Es wurde Geld gesammelt, saniert und in der Freizeit gearbeitet. Mit Erfolg: Das imposante Bauwerk gibt es immer noch, das Schach-Café in der ehemaligen Schalterhalle zieht inzwischen Gäste aus ganz Hamburg an.


Barmbek-Nord ist zwar ein relativ dicht bebauter Stadtteil, trotzdem gibt es zahlreiche grüne Fluchten. Der Freizeitwert ist hoch. Der Stadtpark grenzt an das Viertel und auf dem Osterbekkanal kann man vom Bootsanleger beim Museum der Arbeit sogar während der Saison an den Wochenende und an Feiertagen bequem und problemlos mit Alsterschiffen bis zum Jungfernstieg fahren. Hinzu kommt, dass Barmbek-Nord traditionell eine Sporthochburg ist. Viele Vereine existieren bereits seit Anfang der 20er-Jahre, so beispielsweise der Sport-Club Urania oder die Barmbeker Kraftsportvereinigung Goliath von 1903.


Frischzellenkur für die "Fuhle"


Die Fuhlsbüttler Straße, die Hauptverkehrsader des Stadtteils, die teilweise vierspurig verläuft, wurde zuletzt aufwendig aufgehübscht. Sie schmückt sich mit Hamburgs höchster Hausnummer 792 und trennt den Stadtteil in zwei Hälften. Vor allem die Seite mit den geraden Nummern zeugt vielerorts noch von der Barmbeker Kleine-Leute-Gegend. Billigläden oder weiter unten auch leer stehende Geschäfte prägen das Bild.


Aber inzwischen ist die Hoffnung einiger Ladenbesitzer und Anwohner aufgegangen, dass die neuen Bewohner aus dem Quartier 21 mehr Kaufkraft in den Stadtteil bringen. Das spiegelt sich auch im Angebotsmix und in der Qualität der Läden wieder. Zudem haben einige neue Cafés und Restaurants im Viertel eröffnet.  


Mit Ideen gegen Tristesse


Die Händler ringen um jeden Kunden. Im Südteil der Magistrale bietet die Interessengemeinschaft Fuhle, in der sich die ansässigen Geschäfte zusammengeschlossen haben, deshalb am Wochenende von 10 bis 14 Uhr auf dem Spielplatz Schwalbenplatz eine kostenlose Kinderbetreuung an, damit die Eltern Ruhe und Zeit zum Shoppen haben.


Generell gilt: Das ehemalige Arbeiterquartier hat sich zu einem attraktiven Wohnstandort gemausert, und das vor allem für junge Leute und Familien mit Kindern. Sie alle schätzen an dem Stadtteil in erster Linie genau das, was Barmbek-Nord immer war: sympathisch und authentisch mit viel Grün - und nicht nur in jüngster Vergangenheit auch mit immer mehr kulturellen Angeboten.


Bambek-Nords historisch

Die zwei „Barmbeks“ gibt es noch gar nicht so lange, wie viele glauben: Bis zum Groß-Hamburg-Gesetz bestand nur ein „Barmbek“ (gelegentlich auch als „Groß Barmbeck“ bezeichnet), gebildetaus den heutigen Stadtteilen Barmbek-Nord, Barmbek-Süd und Dulsberg. Bis zur Eingemeindung der Nachbardörfer Bramfeld und Steilshoop im selben Jahr hatte dieses große Barmbek einen Teil der Grenze Hamburgs zu Preußen gebildet. Schluss war an der heutigen Schmachthäger Straße, deren südwestliche, zum Teil noch vorhandene Bebauung sozusagen das Ende der Stadt Hamburg bildete. Auch das alte Grenzhaus an der Ecke Steilshooper Straße/ Richeystraße ist (als Kneipe) noch erhalten.


Rettung vor den Franzosen


Eine besondere Heldentat ereignete sich in der frühen Geschichte Barmbeks: Während der Franzosenzeit war es dem Naturkundler Gerhard Heinrich von Essen (1770 – 1833) gelungen, die Besatzer durch Zahlung von 1000 Talern in Silber in letzter Minute davon abzubringen, das Dorf niederzureißen. Barmbek blieb damit das Schicksal vieler anderer Gegenden erspart. Nach von Essen wurde später eine Straße benannt.


Nach Aufhebung der Torsperre (1860) wurde Barmbeks Entwicklung zum Vorort in erstaunlichem Tempo vorangetrieben. 1862 hatten die Straßen Namen erhalten, ein Jahr später wurden sie mit Gaslaternen erleuchtet. Mietshäuser entstanden, das allererste 1866 am Holsteinischen Kamp. 1867 wurde eine Pferdebahnverbindung vom Barmbeker Zoll zum Rathausmarkt eingerichtet, 1895 kam dann die „Elektrische“. 1871 wurde Barmbek offiziell Vorort, 1894 der einwohnerstärkste Stadtteil Hamburgs.


Im Jahr 1920 lebten hier bereits 120.000 Menschen – eine Stadt für sich. Die Hafenarbeiter, die nach dem Zollanschluss nach Barmbek zogen, siedelten sich vor allem im südlichen Teil an. Dasheutige Barmbek-Nord nahm später als der Süden Gestalt an, weil „Groß Barmbeck“ schrittweise aus der Stadt heraus in Richtung Landesgrenze entwickelt wurde. Die Gegend zwischen dem 1914eröffneten Stadtpark und der Bramfelder Straße war bis in die 20er-Jahre hinein weit weniger dicht bevölkert als der Rest. Und im späteren Stadtteil Dulsberg tat sich damals auch noch nicht viel.


Dabei gab es im Norden Barmbeks schon während der Wilhelminischen Ära wichtige öffentliche Einrichtungen und bedeutende Unternehmen: 1907 nahm die Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn mit dem Bahnhof „Barmbeck“ ihren Betrieb auf. Gleichzeitig begann der Bau der Hamburger Hochbahn, die 1912 startete. 1913 eröffnete das weit im Norden gelegene Krankenhaus Barmbek, dessen Gelände als Park gestaltet war. Für die Besucher entstand ganz in der Nähe der Haltepunkt Rübenkamp. Auch eine Kirche wurde gebaut: die Auferstehungskirche in der Straße Tieloh, errichtet von 1916 bis 1920.


Fritz Schumacher gibt Barmbek-Nord ein Gesicht


Schon 1873 hatte die New York-Hamburger Gummi-Waaren Compagnie am Osterbekkanal ihren Betrieb aufgenommen, die 1910 rund 1100 Arbeitnehmer beschäftigte. 1912 wurde die Müllverbrennungsanlage am Alten Teichweg eröffnet. 1909/10 errichtete Hinrich Voss eine Margarinefabrik an der Ecke Bramfelder Straße/Habichtstraße. Das Unternehmen, im Volksmund „Butter Voss“ genannt, schloss 1979, und die Gebäude wurden 1984 zum Großteil abgerissen.


Immer noch fehlte bezahlbarer Wohnraum, aber die Bebauung war wegen des Ersten Weltkriegs und der nachfolgenden Krisenjahre ins Stocken geraten. Barmbek-Nord und das benachbarte Dulsberg wurden dann von den frühen 1920er-Jahren an sozusagen auf der grünen Wiese geplantund am Reißbrett entwickelt – unter Federführung von Oberbaudirektor Fritz Schumacher. Der brach mit den klassischen Bauformen und schuf an vielen Stellen lichtdurchflutete Höfe, Laubengänge, Gärten und sanitäre Einrichtungen, die damals längst nicht zur Standardausstattung einer Wohnung gehörten. Die neuen Blocks wurden in vier- bis sechsgeschossiger Bauweisemit überwiegend zwei Wohnungen pro Treppenabsatz („Zweispänner“) errichtet.


Backsteinfassaden und die formale Nähe zum Bauhaus prägen auch heute noch viele Straßenzüge in Barmbek-Nord. Auch die großzügig angelegten Grün-, Spiel- und Sportflächen gehen auf Schumachers Entwürfe zurück. Erst im Sommer 1930 wurde die schon 1914 fertiggestellte U-Bahn-Station Habichtstraße dem Verkehr übergeben. 1931 kam die Haltestelle Alte Wöhr hinzu.

von Redaktion hamburgerimmobilien.de am 20.09.2018

Anzeige
Anzeige
Anzeige

Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.