Wohldorf-Ohlstedt - Der grüne Stadtrand ganz im Norden

Mühlenteich in Wohldorf
Andreas Laible

 

Wovon viele träumen, ist im ruhigen Wohldorf-Ohlstedt im hohen Hamburger Norden möglich: ein beschauliches Leben am grünen Stadtrand

 

Fläche in Quadratkilometer: 17,3
Einwohner: 4656
Wohngebäude: 1496
Wohnungen: 1922
Immobilienpreise Grundstücke in Euro/Quadratmeter: 476
Immobilienpreise Eigentumswohnungen in Euro/Quadratmeter: 4054
(Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Stand 2016)

 

Die modrige, würzige Luft, das Knistern trockener Kiefernzweige. Das Knacken leerer Bucheckernschalen, das hartnäckige Tocken eines Spechts. Das satte Schmatzen, wenn die Pferdehufe sich vom feuchten Waldboden lösen.

Wer mitten im Wohldorfer Wald für einen Moment die Augen schließt und der Natur nachspürt, der vergisst nicht nur, dass er sich tatsächlich noch immer auf Hamburger Stadtgebiet befindet. Dem liegt dabei, wenn er die richtige Stelle findet, sogar ein kleines Wohldorfer Geheimnis zu Füßen, ein Hätten-Sie’s-gewusst-Moment: Zu einer Zeit, als strombetriebene Kühlschränke noch Zukunftsvision waren, wurde das Innere des höchsten Waldhügels (was als Superlativ pompöser klingt als es die Realität dann einlöst) als Eiskeller des nahen Herrenhauses genutzt.

Eisblöcke wurden aus den umliegenden Gewässern gesägt und in die unterirdische Kühlkammer gekarrt. Seit 1924 steht auf eben jener Stelle ein Gedenkbrocken für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, ein 150- Zentner-Findling, hochgehüsert allein mit Hilfe von Flaschenzügen.

Großes Erholungspotenzial

Er thront dort auf etwa halbem Wege zwischen Wohldorf – dem noch heute ländlichen Dorfteil mit der kleinen Landmeierei, dem Ausflugslokal Zum Bäcker, mit der Kupfermühle und den kleinen, alten Landarbeiterhäuschen, deren Schicksal immer wieder zwischen Denkmalschutz und Abriss schwankt – und Ohlstedt, dem wohlhabenden Villenvorort mit Tennisclub, baumbestandenen Alleen, mit der Matthias-Claudius-Kirche, der von Fritz Schumacher erbauten Schule Am Walde und dem Gymnasium.

 Der Wohldorfer Wald, ältestes Forstrevier der Stadt, trennt und verbindet die beiden Ortsteile, er ist – wie das Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook – identitätsstiftend und prägt mit seinen zahlreichen Reit- und Spazier- wegen und dem großen Erholungspotenzial seit jeher die Gegend. Wohldorf im Norden und Ohlstedt im Süden wurden 1872 zu einer Gemeinde zusammengelegt; anders als die anderen Walddörfer gehören sie nicht erst seit 1937 zu Hamburg: Bereits 1370 fiel Wohldorf an einen Hamburger Bürger, Ohlstedt wurde zunächst an Hamburg verpfändet und 1407 schließlich an den Bürgermeister verkauft.

Ideales Revier zum Gassi-Gehen

Nicht weit vom ehemaligen Eiskeller zuckelte bis 1961 die Kleinbahn durch die „Tannenallee“, die eigentlich ja Mühlenredder heißt, aber auf diesem für den Verkehr gesperrten Stück noch heute von kaum jemandem so genannt wird – ganz ähnlich übrigens wie „die Aue“, das kleine Flüsschen, das sich im Mühlenteich staut und offiziell Ammersbek heißt.

Dort prangt stolz das Wohldorfer Herrenhaus. Es ist mittlerweile in Privatbesitz und war lange Jahre ein Erholungsort für Hamburgs Bürgermeister, feine Senatoren und Ehrengäste. Nicht nur Bürgermeister Mönckeberg und Semer, nach dem die Straße benannt wurde, in der heute das Gymnasium steht, kamen zur „Luftkur in den Norden“. Auch der berühmte Dirigent Hans von Bülow spielte 1890 den eigens dorthin geschafften Bechsteinflügel im Herrenhaus. Er litt allerdings während seines Aufenthaltes an der „Ungunst der Witterung“.

Sieht man die Ohlstedter oder Wohldorfer unterwegs, dann oft im Auto: auf dem Weg ins Alstertal-Einkaufszentrum, zum Supermarkt nach Duvenstedt oder mit der Tochter zum Reitstall. Das Leben ist ein ruhiges am Stadtrand von Hamburg. Die meisten hier wissen das zu schätzen. Für Hundebesitzer ist es ein nahezu ideales Revier zum Gassi-Gehen – was übrigens einen Ohlstedter immer reicher macht: Der Erfinder der Flexihundeleine ist ebenfalls im Dorf zu Hause.

 

Wohldorf-Ohlstedt historisch

Ein Doppelname – wie bei einem Ehepaar. 1871/72 bildeten die beiden Dörfer eine Landgemeinde, seitdem sind sie verbunden. 1440 ging Wohldorf, ein Dörflein am heutigen Kupferteich, in hamburgischen Besitz über. Die Stadt richtete vor Ort einen Verwaltungssitz ein, um die taufrische Gegend land- und forstwirtschaftlich besser nutzen zu können. Unter anderem ging es darum, Wilderer und Holzdiebe abzuschrecken.

Schon 1489 gab es dafür ein Waldherrenhaus, dessen noch heute erhaltener Nachfolger zwischen 1712 und 1714 erbaut wurde. Das Gebäude hatte unter anderem einen Gerichtssaal und war zunächst nur über eine Brücke zu erreichen. Später nutzten es Hamburger Senatoren und Bürgerschaftsabgeordnete als Ausflugsziel, außerdem übernachteten die Hamburger Kämmerer beziehungsweise die Mitglieder der Finanzdeputation hier bei ihren regelmäßigen Inspektionsreisen.

Die Villa der Koopmanns

Das schier unerschöpflich vorhandene Holz wurde über die Alster nach Hamburg transportiert, aber die Wohldorfer Untertanen durften nur ausgewiesenes Weichholz nutzen, zum Beispiel als Feuerholz. Zum hamburgischen Besitz in Wohldorf gehörte auch ein Gutshof, den die Stadt über viele Jahre verpachtete. Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb der reiche Hamburger Unternehmer Johann Dietmar Koopmann den Hof, dessen Sohn und Erbe 1882 auf dem Gelände eine große Villa errichten ließ.

Der Besitz ging 1905 an den Milliardär Alfred Beit, dessen Neffe das Gut bis 1934 halten konnte. 1939 ging es in den Besitz der Stadt, nach dem Krieg war es Notunterkunft für Flüchtlinge, bis es Anfang der 1960er-Jahre die Firma Alfred C. Toepfer pachtete. Die Villa wurde schließlich abgebrochen, nachdem das Koopmann-Mausoleum schon 1942 zerstört worden war.

Neben der Kornmühle am Mühlenredder zeugt auch noch die ehemalige Kupfermühle an der Herrenhausallee von der alten Zeit und der frühindustriellen Epoche Wohldorfs. Am Standort der Kupfermühle lassen sich Gewerbebetriebe schon seit dem frühen 17. Jahrhundert nachweisen. Ab 1687 ließ der Hamburger Münzmeister Hermann Lüders hier Kupfer verarbeiten, rund 150 Jahre später pachteten die Brüder Sloman die Anlage. Sie wandelten die Kupferverarbeitung in eine Weberei um – ein Geschäftszweig, den der Unternehmer Carl Ludwig Cramer fortsetzte. Um 1875 beschäftigte er hier 120 Menschen, 1899 musste Cramer jedoch Konkurs anmelden.

Ausflugsziel Wohldorfer Wald

Der Wohldorfer Wald ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel für gestresste Städter. Schon damals legte die Stadt fest, nur noch einen Teil des Waldes wirtschaftlich zu nutzen und den Rest für Erholungssuchende zu sichern. Es begann die Ära der Tagesausflügler und Sommerfrischler, die der lauten, engen Stadt den Rücken kehren wollten.

Diesem neuen Zeitgefühl kam der Ausbau der Kleinbahnstrecke von Alt-Rahlstedt bis Wohldorf 1907 entgegen. Die doppelstöckige Bahn war zunächst sehr beliebt, konnte sich aber angesichts aufkommender Konkurrenz nicht lange halten: Die neue Walddörferbahn (die heutige U 1) verkehrte von 1920 an zwischen Barmbek und Volksdorf und von 1925 an bis Ohlstedt. Zeitweise fuhren beide Bahnen nebeneinander, schließlich musste die Kleinbahn aufs Abstellgleis rollen.

Ohlstedt war 1463 endgültig hamburgisch geworden, erhielt sich aber noch lange seinen Charakter als Bauerndorf. Nachdem 1899 der Grundstücksmakler John Meinhardt drei große Bauernstellen aufgekauft hatte, warb eine Terrain-Gesellschaft um Bauinteressenten. Es fanden sich aber zunächst nur fünf Käufer, und die Gesellschaft musste ihre Geschäfte an andere Firmen übergeben.

1920 hatte Ohlstedt nur 336 Einwohner – und das, obwohl potenzielle Käufer Steuervorteile hatten, weil sie nicht einmal nach Preußen umziehen mussten. Erst nach dem Ersten Weltkrieg setzte eine stärkere Besiedelung ein, und 1933 hatte Ohlstedt schon 1041 Einwohner. Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz wurden die Walddörfer neu geordnet. Groß Hansdorf und Schmalenbeck fielen an Schleswig-Holstein, Wohldorf-Ohlstedt und Volksdorf wurden mit den von Preußen abgetretenen Dörfern BergstedtDuvenstedt und Lemsahl-Mellingstedt von 1939 an in der Hauptdienststelle Walddörfer (ab 1943: Ortsamt) „regiert“.

von Redaktion hamburgerimmobilien.de am 17.09.2018

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